Die Tänzerin Eiko Hayashi entführt in die ganz dem Schönen gewidmete Seite
des
japanischen Tanzes, die sich dem Genuss hingibt ohne dass ihr Leid und
Schmerz
gänzlich fremd wären...
Zu erleben sind die beiden Tänze Kane no Misaki (Landzunge der Glocke)
und Sagi-Musume
(das weiße Reiher-Mädchen).
Kane no Misaki wurde 1759 in Ôsaka urauffgeführt und ist die Variation
eines Paradestücks
des Kabuki-Theaters Musume-Doji, das auf der Legende der Tragödie von
„Kiyohime und Anchin“
basiert. Die Geschichte spielt im 10. Jahrhundert, wobei Kiyohime,
die Tochter eines Gouverneurs, rasend in Anchin, einen reisenden Mönch,
verliebt ist.
Der Tanz enthält die wichtigsten Elemente des Musume-Dojoji: die buddhistische
Weltanschauung
als Einleitung, das Liebesgeheimnis mit der Freude, und zum Schluss die
Explosion der Begierde
der verschmähten Liebe. Im Vordergrund werden die Sehnsucht nach der Reinheit
und Heiterkeit
der Seele trotz der qualvollen menschlichen Existenz, die Liebeshoffnungen
und deren nachfolgenden
Katastrophe getanzt: die Liebesflamme und Hass lassen die Glocke im Tempel
zusammen mit demjenigen,
den die junge Frau liebt, schmelzen. Im Hintergrund wird aber eine Rettung
der Seele durch die
buddhistische Gnade angedeutet. Mit den ästhetischen Bewegungen der Tänzerin,
begleitet von Koto
und Shamisen, die traditionelle japanische Musik spielen, entfaltet sich
vor dem Publikum das Drama.
Durch die Ruhe und Eleganz des Tanzes steigert sich allmählich die Intensität
des Stücks. Die im Wind
verstreute Kirschblüte, mit der sich die liebende junge Frau mit ihrem
Fächer amüsiert, ist in der
japanischen Kultur das Symbol des Höhepunktes und Vergänglichkeit dieser
Welt.
Es ist als Bildnis der Essenz der japanischen Kunst überhaupt zu verstehen.
Die Legende von Anchin und Kiyohime: Kiyohime ist verliebt in Anchin,
der seinerseits auch von ihr
sehr fasziniert ist. Er gerät in einen Gewissenskonflikt, da ihm als Mönch
eine weltliche Begierde
wie die Liebe nicht erlaubt ist. Nach den schlaflosen Nächten entscheidet
er sich für seine Aufgabe,
als Mönch dem richtigen Weg des Buddhas zu folgen und flieht vor Kiyohime.
Er überquert den Fluss
Hidaka mit einem Kahn und versteckt sich unter der großen Glocke des Tempels
Dôjôji. Verzweifelt
und wütend, aber vor allem vom Liebesfeuer getrieben, läuft Kiyohime Anchin
nach. Am Ufer des Flusses
Hidaka springt sie in den Fluss und versucht die andere Uferseite schwimmend
zu erreichen. Trotz ihrer
Leidenschaft verlässt sie schließlich ihre Kraft. Sie ertrinkt, und ihre
verdammte Seele verwandelt
sich in eine Schlange, die den Tempel Dôjôji erreicht. Vor den überraschten
Mönchen des Tempels springt
die Schlange auf die Glocke, wo Anchin versteckt ist. Die Glocke entflammt
sich und verschmilzt zusammen
mit dem geliebten Anchin. Für solche unglückliche Seelen gibt es doch
immer und überall die Gnade Buddhas.
Sagi-musume wurde 1762 in Edo, dem heutigen Tôkyô uraufgeführt: Schlägt
eine „wahre“ Liebe ihre Wurzel tief
hinein in den Tod? Nährt sich die Leidenschaft mit dem Rausch des Liebestodes?
Sowohl im Osten als auch im
Westen gibt es kaum eine andere Frage, die den Menschen noch tiefer in
seine Seele ergreift.
Die Geschichte der Sagi-musume verkörpert das Mysterium der Leidenschaft
der Liebe: Die Seele einer jungen Frau
ist wegen ihrer Qual, die von ihrer unerfüllten Liebe quillt, verdammt.
Sie kehrt ins Diesseits bei Schnee und
Eis ans Ufer eines Weihers als weißer Reiher zurück. In wechselnden Rollen
- mal als junges Mädchen und mal
als weißer Reiher- erzählt sie von ihrer Liebeserinnerung und Leidenschaft,
die von ihren Liebeskummer und
ihrer Trauer überschattet sind. Diese Grenzüberschreitungen zwischen dem
Mädchen und Reiher werden magisch,
und märchenhaft präsentiert. Als Reiher schlägt sie zum Schluss rasend
und verzweifelt ihre weißen Flügel
in die mit Schnee vermischten Lüfte - die Zeit des Sterbens hat geschlagen.
(Tanz ohne gesprochene Worte)
(Leipzig-Premiere)
Einführung und Kurzvortrag zum Nihon-Buyô seiner Beziehung zu Kabuki und
den Stoffen des Nô von Tom Grigull.